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Lukas, Hoyerswerda

Diese Vorurteile nerven mich. Die denken, der ist klein, mit dem kann man machen, was man will. Aber hey, ich lebe damit, was soll ich machen?

Gesichter der Inklusion

Ich bin Lukas, 13 Jahre alt und komme aus Hoyerswerda. Ich spiele gerne Basketball, Video-Spiele, habe Interesse an Kampfsport und zeichne gerne. Ich habe zwei Hunde, die Susi und den Tyson. Ich gehe in eine Körperbehinderten-Schule.

Ich habe eine Krankheit namens Mukopolysaccharidose Typ 6. Ich bin kleinwüchsig, habe zum Beispiel eine übergroße Zunge, eine Hornhauttrübung, kann meine Arme nicht komplett ausstrecken, die Beine auch nicht, bekomme jede Woche mittwochs über einen Port-Katheder eine Infusion. Die Krankheit ist leider nicht heilbar, aber durch die Infusion verschlechtert sich mein Zustand auch nicht.

Die Krankheit ist genetisch bedingt, sie wird aber erst nach dem zweiten Lebensjahr festgestellt. Bis zu meinem zweiten Lebensjahr konnte ich meine Arme komplett ausstrecken und alles. Das einzige was war, ich hatte nie diesen Baby-Griff, bin immer auf Zehenspitzen gelaufen und meine Knochen haben tatsächlich schon sehr früh angefangen zu knacken. Am Anfang dachte man, ich hätte das Down-Syndrom, bis dann mehrere Tests folgten, die dann diese Krankheit ergeben haben.

Bei der Krankheit ist Typ 7 quasi die „beste Form“, ich habe Typ 6. Ab Typ 4 geht es in die geistige Beeinträchtigung.

Das Körperliche ist bei mir etwas problematisch. Aber sonst? Sonst gibt es nicht wirklich etwas.

Ich muss sagen, dass ich an sich gut damit leben kann, aber teilweise spiele ich es auch herunter. Ich finde es nur sehr unangebracht, wenn Leute auf der Straße dumm gucken, nur weil ich eben noch nicht einmal ganze 1,30 m groß bin. Die gucken, können aber nicht in mich reingucken und wissen nicht, wie ich überhaupt drauf bin. Diese Vorurteile nerven mich. Die denken, der ist klein, mit dem kann man machen, was man will. Aber hey, ich lebe damit, was soll ich machen?

Was das Anziehen betrifft, kann ich mir mittlerweile selber helfen. Ich bekomme ja meine Arme nun nicht höher, deswegen schmeiße ich mir die Klamotten eben so drüber. Sieht zwar witzig aus, aber es klappt. Ich habe Probleme beim Schwimmen und solche Sachen. Das Körperliche ist bei mir etwas problematisch. Aber sonst? Sonst gibt es nicht wirklich etwas. Und Kleidung ist bei mir noch ganz kritisch, denn in meiner Größe gibt es da meistens eher sehr kitschige Sachen - Benjamin Blümchen und so etwas.

An meiner Schule gibt es Schüler mit allen möglichen Einschränkungen: blind, Autismus, Hörschäden, Lese-Rechtschreib-Schwäche. Wir haben auch dieses Terrakotta-Haus direkt neben unserer Schule. Das ist für die Kinder, die etwas größere Probleme beim Lernen haben. Dort wird dann weniger auf den Unterricht geachtet, sondern mehr auf lebensnotwendige Dinge wie Kochen und Waschen.

In meiner Schule verfolgen wir den ganz normalen Lehrplan, vielleicht etwas langsamer und besser erklärt. Ab und zu wird Hilfe gebraucht, deshalb haben wir eine Hilfs-Lehrerin, die uns dann unterstützt.

Ich möchte, wenn Mathe bei mir besser wird, in Richtung Programmierer beziehungsweise IT gehen.

Geboren wurde ich in Lauchhammer, dann sind wir nach Baden-Württemberg gezogen und später wieder hierher nach Sachsen. In Baden-Württemberg bin ich in die ‚normale‘ Schule gekommen, wo ich mit zwei anderen Kindern inklusiv beschult wurde. Wir hatten eine Schulbegleitung, waren aber auch an die 30 Schüler in der Klasse. Da war das Lernen dann etwas schwerer. In meiner jetzigen Schule sind wir zum Beispiel nur zwölf Leute in der Klasse. Die Schule geht bis zur 9. Klasse. Wenn man sich dann noch weiterbilden will, muss man in der ‚normalen‘ Schule die 9. Klasse wiederholen und dann die 10. abschließen. Ich möchte, wenn Mathe bei mir besser wird, in Richtung Programmierer beziehungsweise IT gehen. Körperlich kann ich ja nun nicht viel machen.

Mein Kumpel Maxi hat mir viel vom Ossi e.V. erzählt. Die meiste Zeit hatte ich Angst, dass dort Leute sind, die mich aufgrund meiner Beeinträchtigungen auslachen würden oder so. Deshalb habe ich mich eine ganze Weile nicht getraut. Und irgendwann dachte ich mir: „Ach komm, das ist jetzt egal. Ich gehe dorthin, ich ziehe das durch.“

Ich komme hier nur zum Zeichnen hin. Ich verstehe mich gut mit den Leuten, die beim Zeichen-Club sind, das passt. Wir bekommen die Materialien gestellt und bezahlen, wenn wir welche davon benutzen. Wir können hier auf Leinwand oder Papier zeichnen oder auch Graffiti probieren. Da kann man sich künstlerisch austoben. Und wenn wir Hilfe brauchen, dann wird uns geholfen. Maxi ist der Beste von uns, was das Zeichnen betrifft. Ab und zu treffen wir uns, um hierherzugehen. Aber da er nicht aus Hoyerswerda kommt, sind Treffen sonst nicht so möglich.

Ich bin nicht sonderlich selbstsicher, deswegen staune ich gerade selber darüber, dass ich bei so einem Interview, wie gerade, mitmache. Ich bin sehr sensibel.

Ich spiele Basketball, privat, nur so zum Spaß. Wo ich wohne, da gibt es ein großes Feld, und da kann man Fußball, Basketball und andere Sachen spielen. Ich habe auch noch Ergotherapie und Physiotherapie, und irgendwie erlange ich da auch etwas mehr Selbstbewusstsein.

[...] wir alle haben uns das nicht ausgesucht, wir sind ja auch nur Menschen.

Ich wünsche mir, dass es diese Infusion, die ich bekomme, vielleicht irgendwann einmal in Tabletten- oder Kapselform gibt. Weil dieses ständige Stechen, das nervt schon. Ich habe einen Port, der alle sieben bis zehn Jahre gewechselt wird. Ich hatte bereits zwei Thromben am Port - der eine wurde mir entfernt, der andere ist immer noch drin, weil er sich angeblich nicht löst. Finde ich dumm, den hätten sie gleich mit rausnehmen können.

Ich habe einen Port für Babys. Normalerweise sind die ja noch größer, aber dadurch, dass meine Gefäße und alles andere so gedrungen sind, können die mir gar keinen größeren einsetzen. Ich bin aber trotzdem dankbar dafür, dass es diese Infusionen überhaupt gibt, denn früher sind die Kinder an meiner Krankheit gestorben.

Das Verhältnis zu meiner Mama ist sehr gut, aber manchmal komme ich mir noch so wie dieser kleine Junge vor, der überall Hilfe braucht. Wenn ich an frühere Tage denke, da durfte ich noch nicht einmal alleine bis zum Bäcker, aus Angst, dass irgendjemand auf falsche Gedanken kommt. Weil ich eben so klein bin. Ich verstehe sie schon, aber manchmal denke ich mir dann auch: „Muss das jetzt sein?“ Denn ich traue mir mittlerweile auch viel mehr zu und probiere mich aus.

Ich finde man sollte uns schon wie normale Menschen behandeln. Ich hatte schon Freunde, die hatten verkrüppelte Finger. Da haben die Leute nur deshalb Abstand von ihm genommen. Da bin ich dann für ihn eingesprungen und habe denen mal ein paar Takte erzählt, weil so geht das ja nicht. Er hat sich das ja nicht ausgesucht, wir alle haben uns das nicht ausgesucht, wir sind ja auch nur Menschen.

Interview geführt am: 02.11.2023

Interview veröffentlicht am: 12.12.2023

Lukas blickt mit ernster Mine in die Kamera. Er hat eine Brille auf, die seine Augen etwas vergrößern. Er hat kurze braune Haare.

Lukas